GH – Bauprojekt

1009

ArGe HENN | C.F.MØller, Berlin

Landschaftsarchitektur:
SINAI, Gesellschaft von Landschaftsarchitekten, Berlin

Tragwerksplanung:
WETZEL & von SEHT, Hamburg

Maschinenwesen | Elektrotechnik:
Klett-Ingenieure-GmbH, Fellbach

Würdigung

Städtebau

Die Leitidee von „der gleichförmigen Maschine zur Stadtsilhouette“ wird durch die lineare Anordnung einer bewährten Typologie – dem Kamm – mit gestaffelten Bauhöhen von 5 bis 10 Geschossen dargelegt. Der Patientenpark verzahnt sich mit den Zwischenräumen der Baukörper, es entstehen offene Fugen mit Bezug zu den bestehenden Gebäuden. Um die Schenkellängen des Kamms zu verbinden, werden in drei Geschossen U-E1 terrassierte, funktional notwendige Verbindungen eingefügt, die leider den offenen, fließenden Raum an den Baukörpern stoppen. 

Die Höhen des nach Norden gespiegelten Gebäudekamms für das HLG mit drei Kammzinken akzentuieren den Eingangsbereich und ermöglichen einerseits die folgerichtig horizontale Schichtung der Funktionsflächen und anderseits die geforderte Bettenzahl für den Ablöseprozess. Mit einer ausreichend breiten Magistrale entsteht ein gut dimensioniertes, ost- west-verlaufendes Rückgrat mit direkter Anbindung an den Bestand. Über relativ kurze Wegespangen zum OPZ und zu den sich gegenüberliegenden Fingern entsteht ein orientierungsfreundliches Erschließungssystem, dass die Onkologie ostseitig mit eigenem Eingang erfasst und die prägnante Figur abschließt.

Äußere Erschließung

Ein nordseitiger und südlicher Eingangsplatz wird über die dreigeschossige Eingangshalle verbunden und als durchgesteckte, dreigeschossige Halle erlebbar. Die kreuzförmige Erschließung führt zu einem einfachen und logischen Orientierungssystem, verknüpft die Wege aus dem Parkhaus E0 und den südseitigen Eingang, kommend aus der U-Bahnstation. Die Einführung zwischen ONKO und BBT ist im Endzustand zu schmal, dennoch kann dem architektonischen Anspruch des zweigeschossigen Restaurants / Bistro gut entsprochen werden. Positiv ist der ostseitige Nebeneingang zur Onkologie direkt am Ende der Magistrale hervorzuheben.

Der Hauptzugang, die LKV und die Zufahrt zum westlich gelegenen Forschungszentrum, reihen sich in Sequenzen entlang der Marchioninistraße. Der südliche Zugang zum Drop-Off-Point führt an dem bestehenden Standort der erneuerten und erweiterten Technikzentrale vorbei, ins Zentrum des ersten Bauabschnittes.

Das Diagnostikum nördlich der Marchioninistraße wird als siebengeschossiger Körper terrassenartig nach Norden abgestaffelt vorgeschlagen. Das Baurecht begrenzt jedoch die Kubatur auf 6 Geschosse, deshalb ist der Baukörper zu reduzieren. Der Grundtyp des DIAG wurde aus der verschränkten Hauptform hergeleitet und erlaubt durch die Auslegung der Schenkelbreiten nahezu jeglichen funktionalen Grundriss im Laborbau. Damit wird der geforderten Variabilität gut entsprochen.

Innere Erschließung

Im Inneren schichten sich die Versorgungsgeschosse, Diagnose und Therapiebereiche, entlang der Magistrale in drei bis vier Geschossen. Die Wegespangen sind bereits im ersten Bauabschnitt direkt mit den Bestandsbauten verbunden und gewährleisten hohe Funktionalität. Die Entwicklungsschritte des BBT und des Wirtschaftsgebäudes in weiteren Bauabschnitten mit den Schnittstellen zum Bestand bedürfen einer präzisen Darstellung, um die textlich erwähnten Interimszustände zu verifizieren.

Die Organisationsstruktur der Ambulanzen, mit der Funktionsdiagnostik ist an der ambulanten und allgemeinen Magistrale gut angebunden und über funktional vorgelagerte Steuerungs-und Stützpunkte leicht aufzufinden. In den oberen Geschossen wird sich aus den geschlossenen, ringartig organisierten Grundrissen der Gebäudekamm generieren. Die dreibündigen Verbindungswege sind plausibel, werden aber im Mittelbund durch die eingefügten Technikschächte geteilt und führen damit zu unverhältnismäßig langen Wegen.

Freianlagen

Das Grün als Passepartout um die Baukörper ist konsequent als Antipode zum Bauvolumen spannungsvoll eingesetzt. Die Vernetzung des Bauvolumens mit der „gleichförmigen Maschine“ und die Höhenstaffelung nimmt die dem Kamm immanente Härte und Strenge zum Teil. Mit den terrassenartig eingeschobenen Geschossen zwischen den Fingern wird der Grünraum scheinbar bis in die Innenhöfe geführt. Die begrünten Terrassen und Flachdächer überlagern die zum Grünraum orientierten, städtisch wirkenden Baumassen. Der Baumbestand wird weitestgehend geschont und oberflächige Sickerrigolen in den ansprechenden Patientenpark eingefügt.

Äußere Gestalt

Die Verfasser zeigen mit der gefalteten Fassade zwischen den Deckenplatten eine anmutende Klinik mit differenzierter Ausbildung der Sockelfassaden und Pflegefassaden. Die Faltung der opaken Elemente ermöglicht zugleich den Sonnenschutz.

Mit den auskragenden Pflegefingern ab dem vierten Geschoss wirkt die aufragende Masse leicht schwebend. Das stringentere Fassadengrid in den UG-Körpern lässt die Funktionen der U/B-Bereiche erkennen. Überlagert wird diese Fassadenschichtung entlang der Marchioninistraße von den Bäumen am Straßenrand und fördert so, den boulevardartigen Charakter. Ein ähnliches Gestaltungsmotiv mit Unterschneidung und Überlagerung nutzt der Entwurf beim Organzentrum Onkologie. Durch das eingezogene Erd- und 1.Obergeschoss löst sich der viergeschossige Kubus vom Sockelgeschoss und bewirkt wiederum Leichtigkeit. Die Arkadenlösung öffnet zudem den Eingangsplatz für Ankommende und leitet sie zum nördlichen Eingang.

Eine besondere Ausstrahlung zeigt die Eingangshalle mit Durchblick in den Park von Süden. Das ausreichend dimensionierte zweigeschossige Entree wird von der vollverglasten Südfassade begrenzt.

Innere Gestaltung

Das klare Ordnungssystem, ausgehend vom Städtebau und der Erschließung ist durch die dreigeschossige Magistrale definiert. Bereits im ersten Bauabschnitt wird sie erlebbar und ist auf die lichtdurchflutete Eingangshalle fokussiert. Die räumliche Entwicklung des Bistros vom Erdgeschoss bis ins erste Untergeschoss begleitet eine breite „Theater-Treppenanlage“. Sie leitet die Besucher bis zur Gartenebene und in den vorgelagerten Westentaschenpark. Das erzeugte Milieu in allen Nutzebenen wird wesentlich geprägt durch lichtdurchflutete, halböffentliche Räume. Erreicht wird dies durch Lichthöfe, gezielte Lichtführung über begrünte Dachflächen und Dachterrassen. Frei in den Raum eingestellte Treppen, mit räumlichen Durchdringungen, schaffen Erschließungswege neben den notwendigen Treppenhäusern.

Programmerfüllung

Das Raumprogramm wurde umfassend erfüllt und die notwendigen Technikflächen bereitgestellt.

Funktion

Dreibündige Grundrisse in den Verbindungsspangen- und kämmen bilden den Ansatz einer funktionsgerechten Anordnung für Mischfunktionen. Entlang der nördlichen Fassade im HLG wird ein zweibündiger Grundriss die dreibündigen Verbindungselemente aufnehmen. In den drei Praxis-Diagnose- und Behandlungsgeschossen sind im Mittelbund die Technikräume verortet. Dieser Mittelbund wirkt in allen Geschossen wie eine Barriere zwischen den fassadenständigen Nutzräumen. Die Steuerungs- und Stützpunkte liegen mittig, deren Nebenräume sind leider an den Fassaden anzulegen und somit entstehen lange Wege zwischen den Funktionsräumen und den Nutzzonen. Ab dem ersten Obergeschoss werden durch diese Raumgeometrie Zwänge für eine kurzwegige Raumorganisation spürbar und der Kamm mit seinen beiderseits der Flure liegenden Nutzzonen entwickelt sich frei. In allen an die Magistrale angrenzenden Volumen sind die Flure konsequent zu Personalwegen und Logistikfluren getrennt. Im ersten Untergeschoss wird die bildgebende Diagnostik mit den Schalt- und Befundungsfluren ideal und kompakt realisiert. Über zwei Lichthöfe kann auch hier Tageslicht zu den Patientenfluren und Arbeitsstätten geleitet werden. In der Onkologie kann das Grundprinzip des Kamms ebenfalls durchgeführt werden. Es treten kritische Situationen wegen der Technikräume im Mittelbund auf. So wird im Bereich der Intensivpflege die Mittelzone für die Stützpunkte nicht ausreichend Platz bieten. Ab dem dritten OG sind die Labor- und Forschungscluster funktional organisiert, ebenso in den Untergeschossen für die Strahlenbunker. In Folge der Bau- und Konstruktionshöhen wurde für die Strahlenbunker eine Geschossabsenkung vorgenommen. Diese führt zu Rampen, die nur über Aufzüge eine barrierefreie Erschließung ermöglicht.

Das DIAG ist in den unteren Geschossen als Kamm mit unterschiedlichen Grundrissbreiten angelegt. In den oberen Geschossen wandelt sich der Baukörper zu einem gestaffelten Atriumtyp mit Ringerschließung. Über die Ringerschließung kann eine dem Laborbau angemessene Flächenaufteilung realisiert werden.

Tragwerk

Es ist ein Konstruktionsraster von 7,80m – 9,10m / Grundraster 1,30m gewählt, im DIAG ist das Grundraster mit 1,15m vorgeschlagen. Dies ist ein technisch- und wirtschaftliches Tragsystem. Die Interdisziplinarität ist gut erkennbar.

Technik

Detaillierungsgrad für Gewerk M ist hoch:

Eine gute Abstimmung zwischen Architektur und Technik hat stattgefunden. Ein Musterbeispiel für einen interdisziplinären Wettbewerb. Die Technikflächen (TF zu NUF-Verhältnis 34,8%) sind auskömmlich, teilweise niedrige Raumhöhen in Zentralen können evtl. durch ausreichende Fläche kompensiert werden. Das nachvollziehbare Ablösekonzept ist grundsätzlich denkbar.

E-Technik

Alle Vorgaben der Auslobung sind vollständig erfüllt, Technikräume wurden im notwendigen Umfang vorgesehen. Es ist ein sicherer und wirtschaftlicher Betrieb nachhaltig möglich. Es handelt sich um einen technisch wertvollen, in sich stimmigen und detaillierten Entwurf.

Energie und Wirtschaftlichkeit

Es ist ein stimmiges Energiekonzept mit Nutzung lokaler Potenziale und gibt Ausblick auf CO2-Neutralität.

Die empfohlenen Materialqualitäten sind solide und unterhaltsarm, wie aus der Visualisierung der Eingangshalle wahrnehmbar, sind haptisch freundliche Materialien vorgesehen, sie strahlen Wärme aus und schaffen eine human wirkende Krankenhausatmosphäre. Der Entwurf liegt nach den Kennzahlen BGF/NUF, BRI /NUF und dem A/V–Verhältnis im Meridian und ist wirtschaftlich.

Insgesamt ein Entwurf, der die hohen Erwartungen an die Funktionalität, die abschnittsweise Realisierung, Wirtschaftlichkeit und die technische Machbarkeit überzeugend erfüllt. Die Arbeit zeigt eine robuste Grundstruktur, die in der weiteren Bearbeitung genügend Raum für zukünftige Anpassungen und Entwicklung aufweist, ohne die Grundkonzeption zu verlieren.   Gleichzeitig schafft der Entwurf es, in seiner äußeren und inneren Gestaltung durch das gewählte Farb- und Materialkonzept die Ansprüche der Patienten, Besucher und Mitarbeiter an eine behagliche, dem Menschen zugewandte Atmosphäre, im Klinikum zu erfüllen.

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